Samstag, 13. April 2013

Factsheet zur Europäischen Zentralbank fertig

Heute wurde in der Attac PG Eurokrise das Factsheet zur Europäischen Zentralbank beschlossen, dessen ersten Entwurf ich geschrieben hatte. Bis es vom Attac Bundesbüro fertig layoutet und dann für alle zur Verfügung steht, hier schon Mal der Text.

Factsheet Europäische Zentralbank

Das Problem

Seit Ausbruch der Finanzkrise erschafft die Europäische Zentralbank in großem Stil Geld, das sie zu Vorzugskonditionen an ein in großen Teilen marodes Bankensystem weitergibt. Gleichzeitig setzt sie als Teil der Troika in immer mehr Euro-Staaten Sparpakete durch, die für eine wachsende Zahl von Menschen existenzbedrohend sind.

Geld für die Banken

Normalerweise erschaffen Zentralbanken Geld, indem sie kurzfristige Kredite in begrenztem Umfang an Banken vergeben. Für diese Kredite müssen Banken erstklassige Sicherheiten als Pfand hinterlegen. Außerdem achten sie darauf, dass dabei nicht zu viel neues Geld in Umlauf kommt.

Seit Ausbruch der Finanzkrise ist das anders. Der Zinssatz für derartige Kredite wurde mittlerweile auf nur noch 0,75 Prozent gesenkt. Parallel dazu lockerte die EZB die Anforderungen für die Besicherung. Und obendrein verlängerte sie auch noch die Laufzeit auf bis zu drei Jahre und stellte diese Kredite in unbegrenzter Höhe zur Verfügung. Kein Wunder, dass Banken davon ausgiebig Gebrauch machten und um den Jahreswechsel 2012/2013 bei der EZB mehr als eine Billion Euro ausliehen.

Eine solche Geldpolitik kann durchaus sinnvoll sein, wenn sie von der richtigen Politik begleitet wird. Dazu müssten entschiedene Maßnahmen ergriffen werden, die der immer tieferen Spaltung der Eurozone in Zentrum und Peripherie und innerhalb einzelner Eurostaaten in Arm und Reich entgegenwirken. Außerdem müssten Banken viel strenger reguliert, marode Banken saniert oder in Konkurs geschickt und der gesamte Bankensektor vergesellschaftet werden. Da dies nicht geschieht, werden die von der EZB ausgegebenen Kredite vor allem dazu genutzt, sich ständig vergrößernde Löcher in den Bilanzen der Banken zu stopfen und Kapitalflucht aus den Krisenstaaten zu finanzieren. Mit anderen Worten: Die EZB hilft Banken bei der Konkursverschleppung und Reichen, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen.

Dabei ist die EZB nicht Opfer falscher Politik von Regierungen, welche die durch expansive Kreditvergabe gekaufte Zeit nicht zur sinnvollen Krisenbekämpfung nutzen, sondern selbst einer der Haupttäter. Als Teil der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und EZB diktiert sie Krisenstaaten nicht nur rigide "Sparprogramme", sondern ist in diesem Gremium auch der Hardliner.

… und Austerität für die Menschen

Da die EZB keine direkten Kredite an Staaten vergeben und eigentlich auch keine bankrotten Banken rekapitalisieren darf, muss dies anderswie geschehen. Hier kommt die Troika ins Spiel, die im Moment für zwei Programme zuständig ist. Das eine sind die sogenannten Rettungsschirme, das andere ein Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen. Bei beiden muss die betroffene Regierung sich vorher gegenüber der Troika zu einem rigorosen Austeritätsprogramm verpflichten, also massive Kürzungen in Sozialsystemen, gigantische Privatisierungen sowie einen radikalen Abbau von Gewerkschafts-, Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten akzeptieren. Dabei darf nie vergessen werden, dass all diese Maßnahmen immer auch Tests dafür sind, was später auch für andere EU-Staaten verbindlich werden kann. Beispiele dafür sind die zum Teil bereits umgesetzten, zum Teil noch geplanten Vorhaben wie Fiskalpakt, 6-Pack, 2-Pack oder Pakt für Wettbewerbsfähigkeit.

Auch wenn sie zynischerweise gerne Schutzschirme genannt werden, besteht die Aufgabe dieser Programme nicht darin, in Not geratenen Menschen zu helfen, sondern Gläubiger und bankrotte Banken zu retten. Bisher gibt es derartige Vereinbarungen für Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Mit Zypern wird gerade verhandelt.
Für Staaten, die zu groß für Rettungsschirme sind, versucht die EZB durch den Aufkauf von Staatsanleihen den Zugang zum Kapitalmarkt offen zu halten. Auch hierfür muss die Regierung des betroffenen Staates sich vorher mit der Troika auf ein Austeritätsprogramm einigen. Das dafür zuständige Programm heißt OMT (Outright Monetary Transactions), kam bisher aber noch nicht zum Einsatz.

Erpressung demokratisch gewählter Regierungen

Wenn sich Regierungen weigern, die Bedingungen der Troika zu akzeptieren, erpresst die EZB diese regelrecht zu einer Unterschrift. Wurden vorher viel zu lang und großzügig Kredite gewährt, droht die EZB dann auf einmal, Banken von einem Tag auf den anderen von ihrer Kreditversorgung abzuschneiden. Letztes Beispiel dafür ist Zypern. In Portugal zwang sie so alle großen Parteien vor der Wahl, das Diktat der Troika zu akzeptieren. Die Wahlen wurden damit zur Farce. In Irland soll sie einen entsprechenden Brief an die irische Regierung geschrieben haben, als diese darüber diskutierte, bankrotte Banken lieber in Konkurs gehen zu lassen. Irland einigte sich danach mit der Troika auf einen Kredit über 85 Mrd. Euro, der vor allem der Rettung des Bankensystems diente. Als die Zinssätze für italienische Staatsanleihen stark stiegen, diktierte die EZB in einem Brief an Berlusconi sehr detailliert alle als Gegenleistung erwarteten Maßnahmen. Als dieser sich weigerte, war er nicht mehr lange Regierungschef und der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti übernahm die Regierungsgeschäfte und erklärte sich mit allem einverstanden.

Interessenkonflikte

Wenn die EZB als Teil der Troika mit am Verhandlungstisch sitzt, sind immer auch eigene Interessen mit im Spiel. Davon, ob Banken pleitegehen oder gerettet werden und Staatsschulden bedient oder gestrichen werden, hängt nicht zuletzt auch ab, ob von der EZB gehaltene Ansprüche bedient oder entwertet werden. Beim griechischen Schuldenschnitt setzte die EZB durch, dass alle Schulden, bei denen sie Gläubiger ist, davon ausgenommen wurden. In Zypern setzte sie durch, dass die Bank of Cyprus von der in Konkurs gegangenen LAIKI-Bank Kreditrückzahlungsverpflichtungen an die zypriotische Notenbank in Höhe von 9 Mrd. Euro übernehmen musste, obwohl diese Bank im Gegenzug aus der Konkursmasse nur Anlagen in Höhe von 7 Mrd. Euro übernehmen konnte.

Forderungen

Es muss Schluss damit sein, dass die EZB Regierungen ihre Bedingungen diktieren kann. Die EZB muss raus aus der Troika und demokratisch kontrolliert werden, die Troika selbst aufgelöst werden. Ihre Arbeit muss transparenter und ihre bisherige Geschäftspraxis durch ein öffentliches Bürgeraudit untersucht werden. Auch die von ihr vergebenen Kredite oder gehaltenen Ansprüche aus Krediten müssen untersucht und gegebenenfalls gestrichen werden. Und last but not least darf es in Zukunft nicht mehr ausschließlich dem Bankensystem überlassen werden, zu bestimmen, ob, an wen und zu welchen Bedingungen Kredite vergeben werden, sondern es muss auch Notenbanken erlaubt werden, unter strengen Bedingungen, direkt oder indirekt Kredite für sinnvolle Vorhaben an Staaten zu vergeben, wie dies in vielen anderen Ländern bis heute auch immer wieder geschieht.

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